Mit etlichen Gastgeschenken im Gepäck machen wir uns am 22. Juni 2018 auf zum Frankfurter Flughafen, um nach Windhoek, Namibia zu fliegen. Genauer gesagt befinden sich nur einige Kleidungsstücke für den Aufenthalt im Koffer, der Großteil besteht aus regionalen Spezialitäten, z.B. Pralinen, Schokolade und Schnaps für unsere Freunde, sowie für langjährige und neue Kooperationspartner. Aber auch für unser Patenkind Ndeshi haben wir u.a. eine neue Butterbrotdose für die Schule im Gepäck und viele Babyutensilien für Ndangi (Ndeshis Schulassistentin), die im März einen Sohn geboren hat.

In diesem Jahr sollen fast ausschließlich die Projekte von OWANAHEDA im Vordergrund unserer Reise stehen, so dass wir den Großteil der Zeit (10 Tage) in der Hauptstadt Namibias in Windhoek verbringen. Dort treffen wir natürlich die Frauen unserer Partnergruppe der Society of St. Vincent de Paul (SSVP). Das Wiedersehen mit den Hauptakteuren Aletta und Anna Scott, sowie Maria Kusch auf der Dachterrasse bei Mugg and Beans in der Grove Mall ist überschwänglich und herzlich.

Doch auch die offiziellen Treffen, um die Zusammenarbeit zwischen der SSVP und OWANAHEDA zu

Gemeinsames Treffen mit den Frauen der Society of St. Vincent de Paul

reflektieren, sind wie immer produktiv. Während wir im Innenhof der katholischen Kirche in Khomasdal sitzen (im Gebäude wäre es noch zu kalt gewesen), sprechen wir über den aktuellen Stand der Arbeit, Finanzen, aber auch kritisch über mögliche Veränderungen einzelner Projekte. Im Vordergrund steht immer wieder das Thema, die Eigenständigkeit der Hilfebedürftigen mehr zu fördern und dadurch die Abhängigkeit von den Hilfsgeldern aus Deutschland zu minimieren.

So wird beschlossen, dass das Projekt „job-creation for ladies“ langfristig nicht mehr auf Gelder aus Deutschland angewiesen sein sollte. Stattdessen sollen die Frauen dabei begleitet und unterstützt werden, ihr eigenes Reinigungsunternehmen mit zahlenden Kunden zu gründen. Denn die Frauen, die sich in der Vergangenheit aus der finanziellen Not heraus prostituierten und nun alternativ dazu regelmäßig das Grundstück zweier Kirchen in Windhoeks Townships Katutura und Khomasdal reinigen, beziehen zurzeit ihren Lohn aus Mitteln von OWANAHEDA.

Diese neue Idee stößt beim Treffen mit den betroffenen drei Frauen (eine Frau fehlt aus Krankheitsgründen) nicht auf größten Zuspruch. Auf den ersten Blick scheint für die Frauen ihr sicheres Einkommen in Gefahr und das würde für sie mehr Einsatz und mehr Unsicherheiten bedeuten. Die Idee, dass dies für sie jedoch langfristig mehr Eigenständigkeit und Unabhängigkeit schaffen würde, überzeugt sie vorerst nicht. Die Frauen, aber auch wir, sind nach dem Gespräch etwas enttäuscht. Die Vorstellungen gehen leider auseinander. Dennoch wird Aletta Scott weiterhin mit ihnen über diese Idee sprechen und an der Idee arbeiten.

Ein Teil der Damen des income-generating project

Die sieben älteren Frauen, aus dem „income-generating project“, die wir ebenfalls treffen, sprudeln dagegen mit Ideen heraus, um ihre kleinen Geschäfte auszubauen. Zurzeit erhalten sie aus Spendengeldern von OWANAHEDA große Mengen an Mehl, Zucker, Chips etc., um sie in kleinen Mengen gewinnbringend zu verkaufen. Das Geld sparen sie bei der SSVP an und bekommen es am Ende des Jahres für eine größere Anschaffung ausgezahlt. Auch bei diesem Projekt sollte das Ziel langfristig sein, dass die Frauen einen Teil ihrer Einnahmen wieder investieren, um für den Einkauf der Lebensmittel mitverantwortlich zu sein.

Aber auch in diesem Jahr führen wir nicht nur Gespräche, sondern können auch den Alltag, der am Office bei der Essens- und Kleiderausgabe herrscht, miterleben. Der Bedarf der Hilfsbedürftigen scheint weiterhin groß und somit der Andrang am Office enorm. Nachdem es etwas ruhiger wird, können wir die Frauen der SSVP ein wenig dabei unterstützen, die Kleiderspenden aus Deutschland, die hauptsächlich von der Pfarrgemeinde St. Josef (Ss Ewaldi) über die Missionsgemeinschaft in Burlo nach Namibia verschifft werden, in händelbare kleinere Säcke zu packen. Einige Kleidungsstücke haben Wiedererkennungswert.

Besonders freuen wir uns auch über die Tatsache, dass wir die letzten beiden Patenkinder Christian und Wilhencia treffen und nun persönliche Grüße und Fotos für die Paten mit nach Deutschland nehmen können.

Zweiter wichtiger Bestandteil unserer Reise sind natürlich auch die Besuche und Gespräche bzgl. unseres Projektes zur Unterstützung von „Ndeshi“. Die 10-jährige Ndeshi ist sprachlich und motorisch stark eingeschränkt und auf einen Rollstuhl angewiesen. Mit Hilfe eines Patenpools ermöglicht OWANAHEDA Ndeshi einen Schulbesuch und trägt die Lohnkosten für ihre Schulassistentin Ndangi. Als Vermittler für OWANAHEDA und als offizieller Arbeitgeber für Ndangi fungiert das Frühförderzentrum für Kinder mit besonderen Bedürfnissen „Side by Side“ in Katutura.

Dementsprechend stehen u.a. der Besuch von Ndeshi und Ndangi an der Dagbreek School, einer Schule für Kinder mit besonderen Bedürfnissen, auf dem Plan. Wir haben die Möglichkeit, Ndeshi und Ndangi den ganzen Tag zu begleiten und können eine aufgeweckte und fröhliche Ndeshi erleben. Sie ist in ihrer Klasse sehr akzeptiert und scheint sich an der Dagbreek School und in ihrer Klasse wohl und verstanden zu fühlen. Sie wirkt sehr ehrgeizig und zielstrebig und weist hervorragende Noten auf. Aber auch ihre Schulassistentin Ndangi wirkt bei der Förderung von Ndeshi sehr engagiert und unterstützt sie in einer angemessenen Art und Weise. Wir haben somit die Möglichkeit, einen sehr positiven Schulalltag mitzuerleben.

Ndeshi liest mit Hilfe von Ndangi

Dennoch entstehen durch Gespräche und Beobachtungen immer auch Fragen und ein gewisser Handlungsbedarf. So ist für uns schnell klar, dass wir an bestimmten Stellen noch etwas genauer hinschauen müssen. So merken wir, dass z.B. an Ndeshis Rollstuhl Fußrasten und ein Anschnallgurt fehlen, eine Armschiene für Ndeshi notwendig wäre, die Physiotherapie für Ndeshi auf Grund von Personalmangel nicht regelmäßig besucht werden kann. Uns ist klar, dass wir unsere Zeit nutzen müssen, um vor Ort noch einige Dinge zu klären.

Heike und Sebastian Formann mit der neuen Direktorin von Side by Side, Huipie van Wyk

Besonders wichtig dazu ist das Kennenlernen der neuen Direktorin des Frühförderzentrums „Side by Side“, Huipie van Wyk. Huipie hat zu Beginn des Jahres die Leitung von „Side by Side“ übernommen und ist somit auch für OWANAHEDA bei der Unterstützung von Ndeshi wichtige Ansprechpartnerin. Huipies jüngste Tochter ist schwerst-mehrfachbehindert, was sie dazu bewegte, sich für Kinder mit Beeinträchtigungen stark zu machen.

 

Um sich besser kennenzulernen, werden wir von Huipies Familie zum Braai (Grillparty) eingeladen. Wir sitzen mit Huipies Familie zusammen, lassen uns mit leckerem Fleisch verwöhnen, die zwei älteren Kinder führen Kunststücke auf und Huipie erzählt viel aus ihrem Leben und von „Side by Side“. Wir lernen eine sehr freundliche Familie, aber auch eine sehr engagierte Huipie kennen.

Bei den weiteren Gesprächen bekommen wir die Gelegenheit, die Vereinbarungen bzgl. der Unterstützung von Ndeshi nochmal zu besprechen, Verantwortlichkeiten zu klären und einige Unklarheiten und Missverständnisse aufzuheben. Schnell stellt sich heraus, dass einige Schwierigkeiten auch in der Kommunikation zwischen Huipie und Ndangi entstanden sind. Auch hier versuchen wir zu vermitteln und werben für ein besseres Verständnis untereinander und füreinander. Generell werden somit wichtige Absprachen getroffen, um die Zusammenarbeit für alle Beteiligten zu optimieren.

Nach so vielen Gesprächen muss es natürlich auch Zeit für Entspannung geben, gerne bei einem leckeren Obstsalat oder einem Schokoladenkuchen im Artcraft Center. Hier beginnt dann auch die Suche nach namibischer Kleinkunst für unsere Weihnachtsmärkte. Die Ware dort ist ansprechend und authentisch. Folgend besuchen wir unterschiedliche Künstler, Artcraft Center und Holzmärkte, um für unsere Weihnachtsmärkte neue und ansprechende Ware zu kaufen. Am Ende sind die Koffer noch praller gefüllt als am Anfang.

Lazarus stellt Perlentiere für uns her

Mittlerweile sind schon einige Kontakte entstanden, die wir gerne pflegen. So treffen wir uns auch in diesem Jahr wieder mit Lazarus, der für uns Perlentiere herstellt. Wir verabreden uns mit ihm im Goethe Institut, dort lernt er häufig für seinen Master in Linguistik. Der Verkauf seiner Perlentiere ist ein guter Erwerb um sein Studium, aber auch seine Familie zu finanzieren. Schön, dass wir ihn mit unserem Einkauf unterstützen können.

Zur späteren Stunde treffen wir ihn im Goethe Institut mit seiner Familie wieder. Die Stimmung ist etwas gedämpft, trotz Popcorn, Bier und Großbildleinwand ist Deutschland gegen Südkorea mit einem 2:0 aus der WM ausgeschieden.

Am 07.07.2018 geht unser Flieger nach Hause. Wir fahren bei Nieselregen zum Flughafen und freuen uns darauf, dass wir die dickeren Pullover erstmal wieder in den Schrank packen können. In Namibia haben wir zum ersten Mal die Winterzeit miterlebt und sind am ersten Tag bei 4 Grad aus dem Flieger gestiegen. Aber die sonnigen und warmen Nachmittage sind ein schöner Ausgleich dazu. Doch für die ärmere Bevölkerung in ihren Hütten ist die Jahreszeit eine echte Herausforderung.

Solche und etliche andere Erfahrungen lassen uns das Land immer wieder etwas besser kennenlernen. Die Gespräche mit Freunden, Bekannten und Kooperationspartnern, sowohl aus der ärmeren, als aus der reicheren Schicht Namibias, hinterlassen ein unterschiedliches und facettenreiches Bild und bieten immer wieder Anlass zum Nachdenken und Reflektieren – nicht nur für uns persönlich, sondern auch für die Arbeit von OWANAHEDA. All dies setzt immer neu Bedarfe, Ideen, aber auch Kraft und Motivation für den Einsatz „Hand in Hand für Namibia“ frei.